Digitalisierung – der Mensch im Mittelpunkt

 

Im öffentlichen Diskurs wird stets von einer hierzulande schleppenden Umsetzung der digitalen Transformation gesprochen. Selten sind jedoch fehlende Technologien allein ursächlich. Oftmals sind starre Organisationsstrukturen, oder eine Kultur des Bewahrens, Hemmnisse der digitalen Transformation.

Dabei sollten es die Menschen sein, die die neuen Systeme und Maschinen trainieren. So urteilt eine aktuelle Accenture-Untersuchung, dass diejenigen der Unternehmen deutliche Leistungszuwächse verzeichnen, wenn Mensch und Maschine zusammenarbeiten.1

 

Neue Aufgaben und neue Rollen

Durch die geschickte Kombination der Fähigkeiten der Mitarbeiter und der Maschinen, können die jeweiligen Stärken für das Unternehmen sinnvoll genutzt werden. Zum einen sind dies die sozialen Fähigkeiten, Kreativität – vor allem in Teams, sowie die Übernahme von Führungsaufgaben. Zum anderen sind dies Schnelligkeit und Qualität, Abarbeitung routinierter Abläufe sowie Skalierbarkeit.

Wenn Systeme und Maschinen die Routinen übernehmen, führt dies dazu, dass MA immer komplexere Aufgaben übernehmen. Sie sind es, die die Maschinen überwachen, Abweichungen nach deren Ursachen analysieren und Abstellmaßnahmen einleiten. Sprich, es sind die Menschen, die dem automatisierten und digitalisierten Prozessen Leben einhauchen und für das Unternehmen gewinnbringend einsetzten.

Ist beispielsweise in der Fertigung die Produktionsplanung und -steuerung automatisiert, fallen den planenden Personen neue Aufgaben zu. Diese gestalten sich dann weitaus komplexer, erfordern aber die sozialen Fähigkeiten des Menschen. Ihnen obliegt nun die Verantwortung, den Prozess weiter zu optimieren und Parameter optimal anzupassen, dass Losgrößen, Durchlaufzeiten und Bestände auf ein Minimum reduziert werden.

Beispielsweise übernehmen zunehmend Konfiguratoren die Angebotskalkulation. Die dadurch freiwerdenden Kapazitäten lassen sich leicht in tiefgreifendere Marktkenntnisse investieren. Die Kunden und die Marktbetreuung können verstärkt werden. Fragen, was möchte der Endkunde wirklich, können verstärkt angegangen werden.

Die bisherigen Routinetätigkeiten erforderten Fähigkeiten im Bereich Schnelligkeit und Präzision. Die neuen erforderlichen Fähigkeiten sind kreativer und denkender Natur. Unweigerlich gepaart mit sich einbringen und wirken in Teams, die die ständige Optimierung und Weiterentwicklung des Unternehmens im Blick haben. Für die Unternehmen bedeutet dies, seine Mitarbeiter dahingehend zu befähigen, komplexe Aufgaben zu übernehmen. Basis ist eine Kultur des sich Veränderns in einem positiven Sinne. Es wäre daher auch ein schlechtes Zeichen, durch Digitalisierung Stellen in Größenordnungen abzubauen. Im Gegenzug sind die Menschen bereit, sich im Unternehmen zu verändern und im Sinne eines lebenslagen Lernens neue Aufgaben und Positionen auszufüllen.

 

Neue, angepasste Organisation

In der Zwischenzeit ist es allgemeinverbreitete Meinung, das Thema Digitalisierung zur Chefsache zu machen, bzw. das Management um diese Säule zu verstärken. Das entscheidende ist jedoch die Unternehmung auf die wachsende Anzahl befähigter und höher qualifizierter Menschen auszurichten. Gut qualifizierte Beschäftigte erwarten ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Die Arbeit in interdisziplinären Teams wird ein Großteil der Arbeitszeit einnehmen. Z.B. arbeiten Softwarekonzerne nach diesem Prinzip: Es bilden sich selbständig kleine Teams, die ein Problem angehen, lösen und präsentieren.

Hierfür sind wiederum zwei Kriterien entscheidend: Erstens muss es eine offene, und durchaus geregelte Kommunikation geben, in der beispielsweise Abweichungen eines zuvor definierten Solls besprochen werden und zweitens muss ein offener Umgang mit Fehlern, sprich mit der Ursache dieser Abweichungen, etabliert werden.

 

Die Kultur

Wir wissen aus dem Lean Management der neunziger Jahre, dass eine erfolgreiche Umsetzung nur mit einem entsprechenden Kulturwandel einher ging. Dies gilt auch für die digitale Transformation, die sich in erster Linie in den Köpfen der Mitarbeiter vollziehen muss. Die Einführung digitaler Technologien wird erst dann zum Erfolg führen, wenn die Menschen im Unternehmen diese auch als unterstützend und arbeitserleichternd wahrnehmen und ihr vertrauen. Stellt man sich die Implementierung einer fortgeschrittenen Produktionsplanung- und Steuerungssoftware vor, die im Anschluss mangelnden Vertrauens nicht genutzt wird, wäre dies in jeglicher Hinsicht verehrend. Zum einen bzgl. der getätigten Investition und zum anderen sinkt das Vertrauen ganz grundsätzlich gegenüber jeglicher weiteren Digitalisierung.

Bei diesem Beispiel bleibend, ist es daher unersetzlich, dass Digitalisierungsprojekte von Beginn an durch unternehmensinterne Teams bearbeitet und eingeführt werden. Nur so können die Mitarbeiter, die das System nachher nutzen, es maßgeblich nach Ihren Bedürfnissen beeinflussen.

Basis des kulturellen Wandels ist, wie schon erwähnt, der offene Umgang mit Fehlern und eine offene und vertrauensvolle Kommunikation. Daraus erwächst die Bereitschaft zur Veränderung, die wiederum die eigene Initiative zur Weiterbildung und zu einem lebenslangen Lernen mit sich bringt. In einem Idealzustand erwächst so schlussendlich Agilität.

Lernende, agile Unternehmen hinterfragen ständig Ihren Wertschöpfungsprozess. In einem digitalen Kontext erfolgt dies durch die Erfassung aller relevanter Daten, aus denen Handlungsalternativen zur Optimierung und Weiterentwicklung des Unternehmens abgeleitet werden.

 

Fazit

Werden die Menschen in den Unternehmen Teil der digitalen Transformation, wird das Potenzial der Digitalisierung optimal genutzt. Im Gegenzug ist der Einsatz digitaler Technologien um Personal zu ersetzten ein schlechter Ratgeber. Vielmehr müssen die freiwerdenden Kapazitäten durch neue und sich verändernde Aufgaben genutzt werden um den Gesamterfolg des Unternehmens am Markt weiter zu steigern. Voraussetzung ist, dass die Menschen im Unternehmen zum einen hierfür befähigt werden und zum anderen neuen Rollen und Aufgaben annehmen. Basis hierfür ist ein Kulturwandel, der eine offene Kommunikation und einen offenen Umgang mit Fehlen pflegt. Im Idealfall erwächst hieraus eine lernende und agile Organisation.

 

1 Wilson, H.J., Daugherty, P.R., Mensch und Maschine als Team, in Harvard Business Manager, Oktober 2018.